Hartmuth Schröder, Vorstandsmitglied im Verein Flüchtlingshilfe – Willkommen in Bad Vilbel e.V., ist durch seine ehrenamtliche Tätigkeit u.a. als Hauspate oftmals ganz nah dran an den Schicksalen von Flüchtlingen, die aktuell in Bad Vilbel eine neue Heimat gefunden haben. Im Folgenden berichtet er von Bad Vilbeler Flüchtlingen aus Eritrea:
Sie sind glücklich. Gerade haben Ali und Nuguse ein Fahrrad bekommen und das verstärkt ihre Mobilität enorm. Mit ihrem Freund Sltan sitzen sie vor mir und erzählen von ihrem Land Eritrea und ihrer Flucht. Ein langer Weg liegt hinter ihnen: Sudan, die Wüste, Libyen, dann im Boot über das Mittelmeer, Italien und schließlich Deutschland. Sie waren 2-3 Jahre unterwegs und haben Dinge erlebt, die sich die meisten von uns lieber gar nicht vorstellen möchten.
Auf dem Entwicklungsindex der UN belegt das ostafrikanische Land Eritrea Platz 181 von 186 Staaten. Es herrschen Unterernährung und Massenarmut und es gibt keinerlei Rechtsstaatlichkeit. Willkürliche Gewalt, Verfolgung, Verhaftung, Folter und Hinrichtungen sind an der Tagesordnung. Eritrea schottet sich völlig ab. Medienvertretern und selbst der UN werden oft Visa verweigert. 6, 5 Millionen Einwohner zählt das Land, aber rund 2-3000 Menschen fliehen jeden Monat aus ihrer Heimat, weil sie für sich selbst keinerlei Hoffnung für ihre Zukunft sehen.
So auch unsere drei Flüchtlinge. Ali war 17, als er ging. Die anderen beiden haben Familien zurückgelassen. Frauen und Kinder, die sie nachholen wollen, sobald die Anerkennung erfolgt ist. Bei Nuguse ist das bereits der Fall. Nun sucht er Arbeit als Installateur und eine Wohnung.
Es ist schwer in Eritrea, sich der Militärmacht des Diktators Isaias Afewerki zu entziehen, der seit dem Einmarsch seiner Guerilla-Armee 1991 in die Hauptstadt Asmara an der Macht ist. Das Militär beherrscht alle Bereiche der Gesellschaft: die Wirtschaft, die Landwirtschaft, die Bildung. Das Schulabschlussschuljahr findet bereits im Militärcamp Sawa statt. Damit beginnt quasi der Wehrdienst, der für Männer und Frauen verpflichtend und unbefristet ist. Auch alle höheren Bildungseinrichtungen sind der Armee unterstellt. Die Rekruten werden nach Studium und Ausbildung zum Dienst am Staat verpflichtet. Ihren Lohn in den Betrieben behält die Regierung. Sie selbst bekommen nur ein Taschengeld. „Wir wurden oft wie Sklaven gehalten. Ohne Lohn mussten wir Häuser für hohe Militärs bauen. Die hatten in jeder großen Stadt eines“, erzählt Sltan. Flüchtlinge und Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International berichten darüber hinaus von brutalen Folterungen und sexuellen Übergriffen innerhalb des Militärs. Alles ist in der Hand von Staat und Militär, private Unternehmen sind weitgehend verboten.
Wegen Spitzeleien, so Sltan, müsse man ständig auf der Hut sein. Eine offizielle Opposition oder gar freie Presse sei nicht vorhanden. Nur allzu leicht gerate man in den Verdacht, den Erzfeind Äthiopien und den Umsturz der Regierung zu unterstützen. Und dann ist man ganz schnell verhaftet. Die evangelikale Missionsgesellschaft Open Doors berichtet auch von vielen verfolgten Christen, die „ aufgrund ihres Glaubens in Polizeistationen, Militärlagern oder Schiffscontainern unter unmenschlichen Bedingungen eingesperrt seien.“ (Wikipedia)
„Alles ist so hoffnungslos. Deshalb fliehen junge Leute wie wir, wenn sie nur irgend können.“ sagt Ali. Er ist gerade mal 21, dieser fröhliche und höfliche junge Mann. Eritreer werden nicht in ihre Heimat abgeschoben, aber letztes Jahr hatte Ali die Nachricht von der Ausländerbehörde erhalten, er müsse aufgrund des Dublin III-Abkommens nach Italien zurück. Nur drei Tage war er dort, musste aber seine Fingerabdrücke abgeben, ehe er mit dem Zug weiter nach München fuhr. Die Christuskirchengemeinde in Bad Vilbel hat ihm Kirchenasyl gewährt. Sechs Monate hat er in den Gemeinderäumen zugebracht und dabei sehr viel Deutsch gelernt. „Ich möchte in Deutschland bleiben, weil mein Ziel von Anfang an Deutschland war. Hier gibt es gute Bildung und die Menschenrechte werden geachtet.“ hat er bei seiner Erstbefragung in Gießen gesagt. Nun sieht es so aus, als würde er tatsächlich in seinem Traumland bleiben können.
Autor: Hartmuth Schröder, Vorstandsmitglied im Verein