
Nach zehn Jahren ist es Zeit, Flüchtlingshelfern Danke zu sagen. Landrat Jan Weckler und Kreisbeigeordnete Marion Götz nahmen deshalb stellvertretend für alle Johannes Hartmann, Anneliese Eckhardt und Wolfgang Dittrich (von links) in ihre Mitte. Foto: Deliah Eckhardt, Wetteraukreis
Der Wetteraukreis führte in den vergangenen 10 Jahren insgesamt drei Geflüchteten- Konferenzen durch und es wurden dazu Vertreterinnen und Vertreter der Verwaltung sowie engagierte Ehrenamtler nach Friedberg eingeladen. In der Zeit ab 2015, als die Zahl der in Europa ankommenden Geflüchteten stark anwuchs, ging es mit den unterschiedlichsten Akteuren im Schwerpunkt um die reine Bewältigung den ankommenden Menschen Unterbringung und erste Hilfsmaßnahmen im Alltag zu bieten. Anfang November 2025 wurde nun erneut ins Kreistagsgebäude geladen. Etwas über 100 Teilnehmer nutzen die Gelegenheit sich einen aktuellen Überblick über die Geflüchteten-Situation im Landkreis zu verschaffen.
Der Landrat Jan Weckler präsentierte die Zahlen. Während im Jahr 2022 der Kreis noch 4900 Menschen in seinen Kommunen aufnahm, waren es in 2023 2600, 2024 dann noch 1.500 und für 2025 rechnet die Verwaltung mit 512 Neuankömmlingen. Die meisten kommen aus Afghanistan, der Ukraine und Syrien.
An allen Konferenzen haben Mitglieder unseres Flüchtlingshilfevereins teilgenommen. Diesmal waren Minas Mandt und Alexander Klett als neu gewählte Vorstandsmitglieder vor Ort.
Alexander Klett führt aus: „Während die Konferenzen bis 2023 die drängenden Herausforderungen durch die gestiegenen Flüchtlingszahlen und die Überlastung der Verwaltung thematisierte, bot diesmal der Einstiegsbericht der Leiterin der Kreis-Fachstelle Migration, Nazan Isfen, in vielerlei Hinsicht ein anderes Bild. Sie sprach aktuell von einer Entspannung aufgrund weniger Zuweisungen von Geflüchteten. Es werden daher auch nicht mehr alle Unterkünfte benötigt. Allerdings sollen diese für eventuell sich verändernde Situationen vorgehalten werden. Die vom Gesetzgeber vorgeschriebene Einführung der Bezahlkarte an bis dato 320 Geflüchtete im Kreis sei gut gelungen. Hier gab es aber auch kritische Anmerkungen aus dem Publikum.“
Auf dem Konferenzprogramm standen ein Bericht über das Tun der Ausländerbehörde, die mit Blick auf Betreuungs- und Terminangebote ihre Prozesse und Klientenkontakte nun mehrheitlich online anbietet. Minas Mandt meint dazu: „Wir begrüßen grundsätzlich alle Schritte hin zu einer Entbürokratisierung und effektiveren Gestaltung der Prozesse. Wir erhoffen uns, dass dies die Betreuung der Geflüchteten erleichtert und die Vorgänge für alle Beteiligten spürbar beschleunigt.
Genauso positiv wurde von Vertretern des Kreis-Jobcenters berichtet und u.a. das Konzept „Job-Turbo“ vorgestellt. Dadurch sollen Geflüchtete rascher und besser beraten, unterstützt und in passende Arbeitsbereiche geführt werden.
Auf dem Programm stand noch eine Vorstellung des Ukraine-Rat Bad Nauheims, deren Mitglieder ein breites Hilfs- und Unterstützungsangebot für die ukrainische Community geschaffen haben. Solche Initiativen gründen sich derzeit in einigen Wetterauer Kommunen. In Bad Vilbel in Form eines Städtepartnerschaftsvereins.
Abgeschlossen wurde die Konferenz mit einer Würdigung des Ehrenamts, ohne das – so der Landrat und auch die erste Kreisbeigeordnete Marion Götz – vieles nicht hätte bewältigt werden können. Es wurden anwesende Vertreter der vor vielen Jahren eingerichteten ag Flüchtlingshilfe Wetterau geehrt. Auch unser Vorstandsmitglied Myriam Gellner erfuhr diese Auszeichnung. Die ag hatte in der Zielsetzung seit Gründung vor 10 Jahren die Vernetzung von Verwaltung und kreisweiten Ehrenamtsvereinen und Initiativen im Fokus. Inzwischen haben sich viele Ehrenamtliche aus der AG zurückgezogen und stehen nicht mehr zur Verfügung. Neue „wachsen kaum noch nach“. Daher wird, so eine der Mitglieder, die AG-Flüchtlingshilfe nach diesen 10 Jahren nicht mehr so aktiv weiterarbeiten können wie bisher. Die Vernetzungen bleiben aber bestehen und können hoffentlich weiter ihre Wirkung in Interesse der Geflüchteten entfalten.
Die Auswirkungen des Wandels in der gesellschaftlichen Einstellung gegenüber Geflüchteten prägte etliche der Diskussion auf der Konferenz. Aus der Willkommenskultur geht es in den letzten Jahren immer stärker in Richtung Abwehrhaltung gegenüber Flüchtlingen. In diesem Umfeld stellt sich das Ehrenamt noch erschöpfender dar. Viele der Engagierten der ersten Jahre denken ans Aufhören. Und doch gäbe es immer noch viel zu tun. Gerade Geflüchtete sind von Wohnraummangel betroffen und verharren oftmals Wohnungsmarktbedingt zu lange in den gesellschaftlichen Parallelwelten der Gemeinschaftsunterkünften. Darüber hinaus stehen aktuell wegen Mittelkürzungen des Bundes auch noch eine Verkleinerung des Sprach- und Integrationskursangebotes – auch im Wetteraukreis – im Raum. Keine gute Entwicklung.
Integration braucht einen langen Atem. Man war sich einig: das Fokusthema einer nächsten Konferenz sollte Integrationsmanagement in all seinen Facetten auf die Agenda nehmen und Akteure wie Kita- und Schul- und Erwachsenenbildungsvertreter, die IHK und Unternehmen der Wirtschaft im Kreis und Betroffene, also Geflüchtete selber, einladen.
Die erste Kreisbeigeordnete Marion Götz kündigte an, dass demnächst von einer Kreis-Arbeitsgruppe ein Integrationskonzept für den Wetteraukreis erarbeitet werden soll. Minas Mandt meint: „Die Forderung nach einem solchen Konzept gibt es von uns gegenüber der Stadt Bad Vilbel schon lange – leider erfolglos. Der neue Vorstand wird hier dranbleiben.“
Berichte zur Veranstaltung:
https://www.internationales-zentrum-friedberg.de/3-fluechtlingskonferenz-des-wetteraukreises
https://landbote.info/migration/
