Ein gut gefüllter Raum im Haus der Begegnung zeigte am 29.8.2016 das grosse Interesse an dem vereinsinternen Treffen zum Thema „Erschöpfung im Ehrenamt“. Eingeladen waren neben der Presse, Vertreter der Stadt und eines Sozialverbandes, DRK Friedberg. Letzterer Platz blieb an diesem Abend leider unbesetzt. Sinnbildhaft?!
Vereinsmitglieder, insbesondere Hauspaten und Vertreter der ehrenamtlich tätigen Rechtsberatung, berichteten den Anwesenden von ihren Sorgen und Nöten, die sie in den zurückliegenden Monaten ihrer Flüchtlingsarbeit vor Ort in Bad Vilbel gesammelt haben. Schnell wurde deutlich: Die tägliche Arbeit der ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer bringt diese – übrigens nicht nur in Bad Vilbel – oft an körperliche und emotionale Belastungsgrenzen.
Mit steigender Fassungslosigkeit, aber auch zunehmendem Murren, folgten die Zuhörer*innen den Schilderungen diverser Einzelfälle aus einer fast bizarr wirkenden Welt der Flüchtlingsbürokratie. Diese ist geprägt von Irrwegen im Dschungel von Ämterzuständigkeiten, Verwaltungsvorschriften, Formularen, Anträgen und Genehmigungen, die selbst deutsche Bürger*innen oft kaum verstehen, geschweige denn Asylsuchenden sinnig und verständlich vermitteln können.
Engagierte in der Flüchtlingshilfe Bad Vilbel kamen in den vergangenen Monaten immer wieder in Situationen, in denen sie persönlich und auch der Verein sich insgesamt schmerzlich vor Grenzen gestellt sahen, wenn es darum ging konkrete und dringend benötigte Hilfestellungen für Asylsuchende vor Ort leisten zu können.
Es zeichnet sich seit längerem ab: vor Ort fehlt es an einer personell ausreichend ausgestatteten Flüchtlingshilfe der Stadt, die in zentraler Positionierung die Verwaltung und beispielsweise die lokale Vereinsarbeit miteinander verknüpft und Synergien herstellt. In weiter Ferne scheint der Traum einer „Hotline“, an die sich Engagierte mit den Problemen der von ihnen betreuten Flüchtlinge wenden könnten und die als Schaltstelle für die Weitergabe und Vernetzung notwendiger Ansprechpartner in der Stadt, bei Behörden und Ämtern bis hin zur Kommune fungieren könnte. Mit halben Stellenbesetzungen läßt sich bei über 380 Flüchtlingen kein Land gewinnen. Der Verein und seine Mitglieder und Engagierten wollen nicht länger den „Notnagel“ spielen und fordern Stadt und Kommune auf tätig zu werden.
Ob als Sprachlehrer*in, Hausmeister*in, Behördenbegleitung und Ansprechpartner*in für alle Belange des Alltagslebens – viele Vereinsmitglieder und Engagierte haben sich über die letzten Monate in ihrem Agieren in großen Teilen nahezu professionalisiert. Auch dies ist eine bundesweit zu beobachtende Entwicklung. Als Gesprächspartner steht man somit dem Bürgermeister und seinem Team im Rathaus gerne zur Seite, Flüchtlingshilfe in Bad Vilbel weiter voranzubringen.
Die meisten Zuhörer erleben das Agieren der Stadt aktuell eher als Verwaltung eines Problems, denn als gewünschten Integrationsmoment für die Stadtgesellschaft. Man ist weit davon entfernt pro-aktiv nach flexiben Lösungen in der Integrationsarbeit zu suchen, Gelder bewußt zu investieren und das Mühlrad des Stadt/Kreis-Zusammenspiels effizienter zu gestalten. In unflexiblen Verwaltungsstrukturen agierend verhungert auch Ehrenamt (und die Motivation dazu) am langen Arm und Asylsuchenden ziehen sich frustriert und demotiviert aus dem Integrationszirkel zurück. Eine nicht zu unterschätzende Gesamtwirkung für die gesellschaftlicher Herausforderung, Integration vor Ort lokal zum Erfolg zu führen.
Dem Verein ist es ein großes Anliegen die Zusammenarbeit mit Betreuern und öffentlichen Stellen konstruktiv zu gestalten. Deshalb sucht man pro-aktiv das Gespräch mit Vertretern der Stadt Bad Vilbel, Behörden und sozialen Einrichtungen. Man möchte den Austausch über den aktuellen Status quo der Flüchtlingsarbeit in Bad Vilbel und die Möglichkeiten ausloten, was man dringend verbessern müßte und welche Lösungen es dafür gäbe.
An diesem Abend gab man den anwesenden Vertretern der Stadt, Sozialdezernentin Heike Freund-Hahn und dem Fachbereichsleiter für Soziale Sicherung Jörg Heinz ein klares Signal mit auf den Weg: Lob und Dankesworte aus dem Rathaus allein reichen inzwischen nicht mehr.
Ein klarer Wille zur Zusammenarbeit und Offenheit für neue Herangehensweisen, abseits von reinen Verwaltungslösungen, sind gefragt.
Ideen gibt es genug: eine „Task Force“ könnte regelmäßigen Austausch mit Stadt und Verein fördern, Integrationslotsen könnten wie bespielhaft in anderen Kommunen und Gemeinden ausgebildet werden. Selbst generell unbezahltes Ehrenamt kann mittels Aufwandsentschädigung durch die Stadt aufgewertet und erleichtert werden. Insbesondere, da diese Tätigkeiten wiederum eng mit der für Flüchtlingsarbeit geschaffenen offiziellen Stellen zusammenarbeiten würden und diese entlasten.
Im Zentrum stellte man an diesem Abend am Ende fest: es gilt erneut und intensiver den Dialog miteinander zu suchen.
Quo vadis Flüchtlingshilfe Bad Vilbel – es bleibt spannend!
Berichterstattung in der Presse:
Frankfurter Neue Presse, 31.8.2016: Beitrag
Zum Thema: Frankfurter Rundschau, 25.8.2016: Beitrag