Im Zeichen der Paragrafen stand ein interessanter Vortragsabend am 7. April 2017 im Haus der Begegnung in Bad Vilbel. Arbeitsrichter a.D. Hans-Georg Bick erklärte den Teilnehmern die Grundlagen des deutschen Vertragsrechts und führte aus, welche Rechte, aber auch welche Pflichten die Geflüchteten nach dem Abschluss eines Vertrags haben. Mit 35 Jahren Berufserfahrung als Richter am Arbeitsgericht kennt Bick alle Paragrafen, aber auch alle Nischen des deutschen Arbeitsgesetzes.
Unter den Teilnehmern waren nicht nur Geflüchtete aus Afghanistan, Persien, etc., sondern auch eine Mitarbeiterin aus dem Berufsförderungswerk in Karben, die 4 Geflüchtete aus Bad Vilbel betreut. Aus dem Vorstand war unter anderem Semaan anwesend, der bei den schwierigen Themen übersetzte.
Anhand konkreter Fälle der Teilnehmer klärte Bick über die deutsche Gesetzgebung (im Schwerpunkt auf Arbeitsverträgen) auf und gab einen Überblick über befristete und unbefristete Arbeitsverträge, Arbeitszeiten, Urlaubsansprüche, Entlohnung und Kündigungsschutz.
Beispiel für Arbeitsrecht aus der Reinigungsbranche
Anhand eines konkreten Beispiels aus dem Teilnehmerkreis wurde den anwesenden ‚Nicht-Geflüchteten‘ schnell klar, wie wichtig solche Veranstaltungen auch zukünftig sein werden, damit die neuen Teilnehmer der deutschen Arbeitswelt nicht ausgenutzt werden. Bei dem vorgetragenen Beispiel arbeiten zwei der Teilnehmer schon seit ca. 8 Monaten für eine Reinigungsfirma, die wiederum als Subunternehmer eines Hotels die Reinigung von Hotelzimmern übernimmt. Der Arbeitsvertrag ist auf 1 Jahr befristet. Die Geflüchteten beginnen morgens zwischen 05:00 und 06:00 Uhr früh ihre Arbeit und müssen dann 18 Zimmer reinigen. Pro Zimmer ist eine pauschale Reinigungszeit (ca. 15 oder 20 Minuten) vorgesehen. Die Entlohnung erfolgt zwar auf Stundenlohnbasis (€10,- / Std.), aber nur für die kalkulierte Reinigungszeit der Zimmer. Immerhin sind in dem Arbeitsvertrag wohl 2 Pausen á 20 Minuten vorgesehen.
Oftmals kommt es aber vor, dass die Zimmer noch nicht zur Reinigung zur Verfügung stehen – und die Wartezeit, bis ein Zimmer frei wird, wird von dem Arbeitgeber nicht bezahlt. So kann es vorkommen, dass das letzte Zimmer erst um 21:00 Uhr fertig ist. Über einen Urlaubsanspruch wurden die Mitarbeiter nicht wirklich aufgeklärt.
Die Ausgestaltung des Arbeitsverhältnisses entspricht in einigen Punkten nicht dem deutschen Arbeitsrecht. Der Arbeitgeber muss die Zeit bezahlen, die der Arbeitnehmer vor Ort ist. Ist ein Zimmer nicht frei, geht das nicht zu Lasten des Arbeitnehmers, sondern der Arbeitgeber hat dafür zu sorgen, dass Arbeit geleistet werden kann. Die Arbeitszeiten sind in Deutschland auf max. 10 Std / Tag begrenzt. Auch muss eine Pause von 45 Minuten am Stück eingehalten werden, wenn die Arbeitszeit pro Tag über 6 Std. hinausgeht. Da die beiden Geflüchteten aus Afghanistan schon mehr als 6 Monate bei der Firma tätig sind, haben sie den vollen Anspruch auf Urlaub (3 Wochen am Stück – sofern es betriebsbedingt vom Arbeitgeber möglich ist).
Nun möchte einer der Arbeitnehmer kündigen, um an einer Deutsch-Schulungsmaßnahme teilzunehmen und im Anschluss daran eine Ausbildung zu beginnen. Das könnte er jederzeit tun, nur muss im Vorfeld geklärt werden, ob bei eigener Kündigung auch eine Sperrfrist für weitere Bezüge vorliegt, oder ob der Geflüchtete (der ggf. noch keine Anerkennung als Asylbewerber hat) wieder direkt unter das Asylbewerber-Leistungsgesetz fällt.
Auch, so Richter Bick, muss den Geflüchteten klar sein, dass eine Arbeitserlaubnis in Deutschland, auch wenn sie in den Papieren eingetragen ist, immer nur für einen bestimmten Arbeitgeber gültig ist: Im Falle einer Kündigung muss die Arbeitserlaubnis für einen neuen Arbeitgeber erneut bei der Ausländerbehörde beantragt werden (was ist der Regel 6 Wochen dauert).
Was passiert, wenn der Geflüchtete keine Papiere hat?
Eine weitere interessante Frage stellte die Besucherin aus dem Bildungsförderungswerk Karben: Oftmals kommt es vor, dass die Geflüchteten bei der Einreise nach Deutschland keine Papiere bei sich führen und somit keine eindeutige Identität nachgewiesen werden kann. Diese Geflüchteten bekommen in ihren Papieren einen entsprechenden Vermerk Hat so ein Vermerk in den Papieren einen Einfluss auf die Gültigkeit eines Vertrages nach Abschluss? Bicks Antwort: Ein Vertrag hat zunächst immer inhaltlich Bestand, da er mit einer bestimmten Person abgeschlossen wird. Nur im Falle des Nachweises einer arglistigen Täuschung seitens des Geflüchteten in Bezug auf seine Identität könne der Arbeitgeber/Vermieter/Vertragspartner den Vertrag einseitig auflösen.
Auch bei Entzug einer Arbeitsgenehmigung für den Geflüchteten kann ein Arbeitgeber aus dem Vertragsverhältnis entlassen werden.
Über Mietverträge wurde an dem Abend nur am Rande gesprochen. Die meisten der Teilnehmer leben noch in den Sammelunterkünften und haben einen Mietvertrag mit der Stadt abgeschlossen. Im Zuge der laufenden Integration kommt dieses Thema sicherlich nochmal intensiver zur Sprache.