Ramadan bei den Flüchtlingen in Bad Vilbel

Seit zwei Wochen ist Ramadan –  eine Zeit, in der die muslimischen Gläubigen in vielem Verzicht üben.Wie das den Alltag von manchen Flüchtlingen in Bad Vilbel verändert, schildert Susanne Ebner, Lernpatin im Georg-Muth-Haus und Vereinsmitglied, in ihrem Bericht:

Nach Sonnenuntergang gibt es an der Bad Vilbeler Moschee etwas zu essen und zu trinken.

Nach Sonnenuntergang gibt es an der Bad Vilbeler Moschee etwas zu essen und zu trinken.

Die 40 afghanischen und iranischen Flüchtlinge im Georg-Muth-Haus begehen Ramadan zum ersten Mal in der Fremde. Und die ehrenamtlichen Helfer haben Fragen und möchten diese besondere Zeit ein bisschen besser verstehen. Denn „für die Gruppe ist es gut“, sagt Jawad Khalili (25) entschieden. Ramadan ist der neunte Monat im Islamischen Kalender. Er gilt für Muslime als heilig und ist eine Zeit des Fastens und der spirituellen Suche nach einer engeren Bindung zu Gott. Das arabische Wort für Fasten ist „Saum“. Man praktiziert also nicht Ramadan, sondern man praktiziert Saum im Ramadan. Im Georg-Muth-Haus auf dem Heilsberg praktizieren ca. 90% der Bewohner Saum.


Allen Helfern ist bekannt, dass zwischen Sonnenaufgang und Sonnenuntergang nicht gegessen und nicht getrunken werden darf. Der Verzicht auf das Trinken fällt in den meist heißen muslimisch geprägten Ländern natürlich sehr schwer, besonders bei schwerer körperlicher Arbeit. „Ich habe zu Hause bei 40 Grad als Lagerarbeiter gearbeitet“, berichtet Najibullah Alizay (23). „Dort bin ich schon mehrmals ohnmächtig geworden. Hier in Deutschland sind die Temperaturen zurzeit ja sehr gemäßigt, da ist es nicht so schwer, wenn wir über 19 Stunden nichts zu uns nehmen.“

Die Piktogrammde zeigen, was während des Ramadan nicht erlaubt ist.

Die Piktogrammde zeigen, was während des Ramadan nicht erlaubt ist.

Aber auch andere Aktivitäten sind im Ramadan verboten. Es darf nicht geraucht werden, was Ali Akbar Noori (20) ein wenig schwer fällt. Es dürfen keine Medikamente genommen werden, auch der sexuelle Kontakt zwischen Mann und Frau muss in den gut vier Wochen des Ramadan ruhen – und es darf nicht gelogen werden. „Alles andere ist aber erlaubt“, bekräftigen die Bewohner des Georg-Muth-Hauses. Die Deutschkurse werden weiter besucht, und auch das Praktikum des einen oder anderen läuft wie immer, das Handy darf genutzt werden und wer will, kann auch Fussball-EM schauen oder sogar Sport machen, erklären sie.
Ausgenommen sind Kinder und Jugendliche unter 16, Schwangere und Schwerkranke oder wenn jemand auf Reisen ist. Für alle anderen steht die Rückbesinnung auf Gott, die innere Reinigung, das gute Miteinander in der Gemeinschaft und die Nächstenliebe im Vordergrund.
„Ramadan ist eine ganz besondere Zeit“ schwärmen die jungen Männer. Dort rückt traditionell die Familie zusammen, und abends nach Sonnenuntergang wird zusammen gekocht und gegessen. „Alle helfen mit – meiner kleiner Bruder hat immer das Brot geholt“, sagt Masood Sedeghi (18). „Und wir jungen Leute sind immer zu den reichen Familien in der Nachbarschaft gegangen und haben Spenden, Obst und Geld, für die Armen gesammelt. Große Gruppen an Spendensammlern haben sich gebildet, und wer nichts gegeben hat, bekam einen Eimer voll Wasser über den Kopf“, lacht Najibullah. Die Spenden wurden dann in den Moscheen für die Armenspeisung verwendet.

Die Bad Vilbeler Moschee und ihre Essensausgabe.

Die Bad Vilbeler Moschee und ihre Essensausgabe.

Jetzt in Bad Vilbel, ohne traditionelle Rituale in der Familie, müssen die jungen Flüchtlinge auf dem Heilsberg neue Rituale und gemeinschaftliche Begegnungen entwickeln. Viele gehen abends in die Bad Vilbeler Moschee, wo sie von den meist türkischen Muslims freundlich aufgenommen werden und wo nach Sonnenuntergang ab 21:40 auch Essen angeboten wird. Auch der Fernseher läuft dort und zeigt die EM-Spiele. Draußen sind Tische und Bänke aufgebaut, weil so viele Menschen kommen.
Für Ali Gohar (42) ist es eine schwere Zeit, denn seine Frau und seine sieben Kinder sind in einer anderen Unterkunft in Deutschland untergebracht, und sie können diese wichtige Zeit nicht zusammen begehen. Da wird dann täglich telefoniert. Auch Fawad Hakimzad (22) berichtet, dass seine Familie und das Vertraute in Afghanistan ihm fehlen. „Am ersten Tag war es sehr schwer, und ich war traurig ohne meine Familie. Aber dann kam ein Anruf von meiner Mutter, das hat es ein bisschen leichter gemacht“. Er hat das Glück, mit seinem Bruder und seinem Neffen nach Bad Vilbel gekommen zu sein und hat auch noch einen Cousin in Frankfurt. „Dort werden wir feiern, wenn Ramadan zu Ende ist.“

Das Ende des Ramadan am 5. Juli wird mit einem dreitägigen Fest begangen, mit leckeren Speisen und Geldgeschenken für die Kinder –  erst zu Hause in der Familie und später auch mit Freunden und Nachbarn. Wie die anderen jungen Männer aus dem Georg-Muth-Haus das große Fest begehen werden, wissen sie noch nicht. Es ist alles anders hier in ihrer neuen Heimat Bad Vilbel, und sie müssen auch in dieser Beziehung neue Wege gehen. Aber es wird sich finden, da sind sie sich sicher. Schließlich sind sie und die ehrenamtlichen Helfer auch schon fast wie eine Familie.

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