Am 10. August fand eine Verkehrsschulung für Flüchtlinge statt. Eine Nachbetrachtung.
Zebrastreifen – gibt’s doch gar nicht!
Natürlich sind sie alle mit dem Fahrrad gekommen. Rund zehn junge Männer, mehrheitlich aus Afghanistan, sind schon eine halbe Stunde vor Beginn der Schulung im Freizeit-Zentrum in Bad Vilbel und warten darauf, die Verkehrsregeln in Deutschland genauer kennenzulernen. Sie alle sind hoch motiviert und freuen sich auf den Unterrichtstag. Organisiert wurde er vom Verein für Flüchtlingshilfe in Bad Vilbel zusammen mit dem ADFC unter der Leitung von Dr. Ute Gräber-Seißinger und der Verkehrswacht Wetterau.
Bei der theoretischen Einheit, in der Heinz Euler von der Verkehrswacht über Verkehrszeichen und -regeln referiert, wird schnell deutlich: Es ist gar nicht so einfach, im deutschen Schilderwald den Überblick zu behalten. Die Kursteilnehmer nehmen alle Infos interessiert auf, es gibt aber auch Gelächter. Zum Beispiel bei dem Schild mit dem Namen „Fußgängerüberweg“. Landläufig wird er wegen des Musters „Zebrastreifen“ genannt – für die Flüchtlinge ist das eine witzige Assoziation. Auf die Rückfrage, wie man das in ihrer Heimat nennen würde, kommt Achselzucken: „So etwas gibt es bei uns nicht!“
Auch Heinz Euler kann das bestätigen. Von seinen weltweiten Reisen berichtet er, dass die einfachsten Regeln überall anders sind. Während in Deutschland an einer Kreuzung ohne Beschilderung stets „Rechts vor Links“ gilt, darf in den USA derjenige zuerst fahren, der zuerst an der Kreuzung angekommen ist. Und von einem Eritreer weiß er zu berichten, dass der in der Heimat zwar schon mal ein Stoppschild gesehen hätte – allerdings eines, das mehrfach durchschossen war. „In vielen Ländern der Welt gibt es größere Sorgen als die, den Verkehr ordentlich zu regeln“, erläutert er den Umstand, dass es in den Heimatländern der Flüchtlinge oft gar keine Regeln gibt und jeder fährt, wie er will.
Nach dem theoretischen Teil geht die Gruppe zu Fuß einige Straßenkreuzungen und Kreisverkehre ab, um sich die Beschilderung „in echt“ anzusehen, bevor die Teilnehmer sich dann für die praktische Phase ihre Räder schnappen und auf dem Übungsplatz losfahren dürfen. Die Pausenhöfe des Bad Vilbeler Schulzentrums dienen mit ihren Markierungen als sicheres Feld, auf dem die Mitarbeiter der Verkehrswacht viele kleine Verkehrsschilder aufgestellt haben um hier das korrekte Radfahren zu üben. Und schon zur Mittagspause ist sich Heinz Euler sicher: „Bessere Schüler hatten wir eigentlich noch nie!“
Das wiederum freut Ingo Schütz, Pfarrer der evangelischen Christuskirchengemeinde, der das Handlungsfeld „Fahrräder“ im Verein für Flüchtlingshilfe koordiniert. „Seit fast zwei Jahren organisieren wir die Verteilung gespendeter Fahrräder an Flüchtlinge und verhelfen ihnen so zu Mobilität, was sehr wichtig ist. Ich freue mich, dass wir mit der Verkehrsschulung nun einen weiteren Schritt in dieser Richtung gehen können.“ Gleichzeitig weist er darauf hin, was im Bereich „Fahrräder“ noch alles zu tun ist. „Mithilfe vieler engagierter Ehrenamtlicher konnten wir eine Art Werkstattservice in den Unterkünften aufbauen. Hier gibt es aber noch weiteren Bedarf.“ Seine Bitte: Wer Spaß am Schrauben hat und sich in der Flüchtlingshilfe engagieren möchte, kann sich gerne unter fahrraeder@fhbv.de melden. Auch über funktionstüchtige Fahrräder, die gespendet werden sollen, freue man sich sehr.
Frau Gräber-Seißinger zieht ebenfalls ein positives Fazit. „Die Schulung kommt gut an. Sicherlich wird das nicht die letzte Veranstaltung dieser Art gewesen sein.“ Und als Lohn für das Engagement, da sind sich alle Helferinnen und Helfer einig, ist das Strahlen und die Dankbarkeit in den Augen der Teilnehmer auf ihren Rädern schon eine Menge wert.
Ein Betrag von Ingo Schütz.